Ein Hauch von Demokratie: Die Fragestunde im Landtag

Michael Roolf ist sauer. Michael Roolf ist Vulkanisier-Meister und nun sitzt er im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern. Der nicht eben hochgewachsene Oppositions-Führer der Liberalen möchte im langgezogenen Sitzungssaal des Landtages gern vorn sitzen. Tatsächlich Platz genommen hat er heute Morgen aber auf der hintersten Bank.

Er kann, aber er mag nicht nach vorn. Denn vorn stehen die NPD-Abgeordneten Udo Pastörs und Raimund Borrmann und befinden sich im angeregten Gespräch mit Wirtschaftsminister Jürgen Seidel (CDU). Roolf ist auch im Gespräch. Er tauscht sich mit seinem aufgeregt wirkenden Fraktionskollegen Sebastian Rathjen aus - Zufriedenheit hat einen anderen Ausdruck. Rathjen muß befürchten, daß er seine Frage nicht mehr stellen kann, weil die NPD die Fragestunde dominiert.

Nicht „Nazi“, sondern „Herr Borrmann“

In der Fragestunde des Landtags findet für einen Moment gelebte Demokratie statt. Da ist für den Landwirtschafts-Minister Dr. Till Backhaus (SPD) der Abgeordnete Raimund Borrmann nicht mehr der „Nazi“, sondern schlicht und ergreifend der „Herr Borrmann“, dem er freundlich antwortet – antworten muß. Schließlich sitzt auch viel Publikum hinten. Selbst die sonst so spröde Landtags-Präsidentin Sylvia Bretschneider (SPD) ist um Höflichkeit bemüht.

Ja, so Backhaus auf eine Frage Borrmanns, er habe sich bei der neuen Landwirtschafts-Ministerin im Bund, Aigner (CSU), nach den Gefahren des Gen-Maises erkundigt und warte noch auf Antwort. Einen Termin, so teilt Backhaus auf Nachfrage des nationalen Mandats-Trägers etwas genervt mit, habe er nicht genannt, aber dringlich sei die Sache schon. Auf einen gleichen Brief habe er bereits vom Vorgänger Horst Seehofer (CSU) keine Antwort bekommen.

Bankrott-Erklärung des Wirtschafts-Ministeriums

Auch Backhaus’ Kollege Seidel plauscht angeregt mit Pastörs und Borrmann. Ob nicht ein nationales Gesetz ausländischen „Investoren“-Heuschrecken klarere Regeln vorschreiben müsse, so Borrmann. Seidel legte den Kopf etwas schräg und gab „coram publicum“ nicht weniger als eine Bankrott-Erklärung ab: Das sei nicht so einfach. Gegen global agierende Konzerne könne man sich nicht mehr wehren. Das zeige auch das Beispiel Opel – das also ist das Verständnis der System-Parteien von Souveränität …

NPD: Politik aus der „Mitte des Volkes“

Und von Seiten der nationalen Opposition: Politik aus der „Mitte des Volkes“. Die Verweigerung der „demokratischen Redner“ bei NPD-Anträgen und –Gesetzes-Entwürfen ist in der Fragestunde des Landtages in keiner Weise zu merken. Konnte Sozi-Müller noch am gestrigen Tag an einem angeblich zu unkonkret formulierten Satz in einem NPD-Vorstoß herummäkeln – hier muß erwidert werden.

Im Gegensatz zur Linken, die gegen die längst nicht mehr zu stoppende Dreck-Schleuder Lubmin wie enst Don Quichote ankämpft, hatte die NPD-Fraktion mit einem Gesetzentwurf die Bedingungen für künftige Genehmigungs-Verfahren so gestalten wollen, daß die Belange des Umwelt stärkere Bedeutung erhalten. Argumente der Gegenseite? Fehlanzeige! Nur eben, daß sich die NPD mit dem Thema nicht zu beschäftigen habe, weil sie die NPD ist.

Fragestunde: Ausweichen ist schwierig

In der Fragestunde ist das schlichtweg unmöglich. Ausweichen ist dort schwierig. Für einen Moment kann der Bürger erahnen, wie es denn wäre, wenn Udo Pastörs in einer Fernseh-Diskussionsrunde sitzen würde. Nationale Argumente für mündige Bürger? Für Frau Seemann von den SPD-Genossen ist das ein peinigende Vorstellung. Sie pöbelt noch am Ende der Fragestunde den Abgeordneten Stefan Köster an, weil der auf Probleme im Bildungswesen hinweist, welche die Sozialdemokratin lieber unter der Decke gehalten hätte.

Am Ende trottet Roolf doch noch nach vorn auf seinen „Ehrenplatz“, endlich ... Seine Laune bessert sich spürbar. Die Landtags-Rituale von Rede und Gegenrede beginnen wieder. Er wird sinnieren, wie man diese unangenehme Fragestunde so zurecht biegen, damit er künftig wieder von Anfang an vorn sitzen kann.
zurück | drucken Erstellt am Donnerstag, 05. März 2009