Verbotene Worte im Landtag von Mecklenburg und Vorpommern

Da bislang in Mecklenburg und Vorpommern nur rund die Hälfte der 7.500 Anspruchsberechtigten einen Antrag auf Opferrente für politisch Verfolgte des DDR-Regimes stellten und häufiger sich Betroffene mit Fragen an die Bürgerbüros der NPD wandten, entschied sich die NPD-Fraktion eine umfangreiche Inkenntnissetzung der ermittelbaren Opfer sowie eine breitangelegte Aufklärungsoffensive einzufordern.

Während der NPD-Abgeordnete Müller in seiner Begründung auf die unglaublichen SED-Verbrechen einging, wurde ihm demokratisch das Wort entzogen. Ein Schlag ins Gesicht für all jene, die sich einst gegen Besatzung und Unterdrückung zur Wehr setzten!

Aus diesem Grund veröffentlichen wir den kompletten Redebeitrag (10 min Einbringungs- sowie die Fakten der Erwiderungsrede) von Tino Müller:

Es gilt das gesprochene Wort

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren,

am 29. August d. J. ist das Dritte Gesetz zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR in Kraft getreten.
Neben der Verlängerung der Antragsfristen für die Rehabilitierung bis Ende 2011 ist eine monatliche Opferpension i. H. v. 250 Euro zentraler Bestandteil des Gesetzes.

Für einen Teil der Menschen, die Aufgrund der Verfolgung Andersdenkender innerhalb des antifaschistischen Schutzwalls zum Opfer des DDR-Regimes wurden, ist immerhin nach 17 Jahren des Untergangs dieses Staates, der sich selbst wie sie heute „demokratisch“ nannte, eine Sonderrente beschlossen worden. Schätzungsweise 7500 Betroffene gibt es in unserem Land.

Für frühere politische Häftlinge, die diese „Demokratie“ am eigenen Leib verspüren durften und mindestens ein halbes Jahr inhaftiert waren, ist nun eine monatliche Opferrente erhältlich.

Für uns hat die neue Regelung des Gesetzes lediglich eine gewisse Symbolkraft, da die finanzielle Höhe dieser Rente zum einen unzureichend ist und zum anderen nicht den Anspruch auf eine allgemeine Entschädigung und Wiedergutmachung für die DDR-Opfer erheben kann.

Zu Recht erfährt die Neuregelung herbe Kritik: Viele Opfer der SED-Diktatur verletze es, daß eine Entschädigungsleistung an das Kriterium der Bedürftigkeit gebunden ist.

Bei Rentenanhebungen für Stasi- und SED-Kader fragt hingegen niemand nach der wirtschaftlichen Situation.

Und warum kommt dieses Gesetz erst jetzt?
Wurde von den Verantwortlichen gewartet, bis sich die Anzahl der Rentenberechtigten durch die Sterberate verringert?

Aber kommen wir zum eigentlichen Anliegen:

Nach Schätzungen werden bundesweit rund 16.000 DDR-Opfer von der Neuregelung profitieren können. Opferverbände beklagen aber, daß rund 60.000 nicht berücksichtigt werden.

Darüber hinaus ist der Leistungsbeginn abhängend vom Eingang des Antrages auf Entschädigung.

Wir befürchten, daß aufgrund des Nichtwissens der Anspruchsberechtigten die Frist bis 2011 für einen gewissen Teil zu verstreichen droht.

Bisher haben in Mecklenburg und Vorpommern z.B. nur rund 4000 politisch Verfolgte einen Antrag auf Sonderrente gestellt, obwohl schätzungsweise doppelt so viele berechtigt wären.

In erster Linie können sich die DDR-Opfer mittels des Weltnetzes über die Möglichkeiten hinsichtlich Berechtigung und Fristen informieren. Auch die Antragsformulare stehen dort bereit.

Doch betrachtet man das Alter vieler Betroffener, wird einem klar, daß der Umgang mit dem Weltnetz nicht immer zur Normalität gehört.

Wenigstens für die Berechtigten, die bereits einen formlosen Antrag auf Entschädigung gestellt haben, wurde eine unbürokratische Vorgehensweise getroffen.

Sie bekommen die Formulare unaufgefordert zugesandt und brauchen sich nicht selbst um die Beschaffung der Formulare bemühen.

Doch wie sieht es nun bei den Opfern aus, die aufgrund ihrer Unkenntnis von den neuen Möglichkeiten nicht profitieren können?

Was passiert mit deren Ansprüchen, wenn Sie sich nicht durch die Presse oder das Weltnetz informieren können?

Wir müssen bedenken, daß es auch in der Bundesrepublik Menschen gibt, die sich nicht oder nur unregelmäßig durch die Massenmedien über die aktuellen Geschehnisse benachrichtigen lassen.

Auch wenn immer mehr Menschen das Weltnetz nutzen, so besteht hier immer noch eine digitale Wissenskluft, so daß auch diese Informationsquelle für viele entfällt.

Um nun diese Menschen zu erreichen, fordern wir eine umfassende Aufklärungskampagne.

Es fehlt eine Öffentlichkeitsarbeit, die den Kontakt zu Entschädigungsberechtigten herstellt und sie über ihre Möglichkeiten aufklärt.

Dies könnte durch Werbung auf Plakatwänden, Großanzeigen in Fernseh- oder Tageszeitungen, kostenlosen Wochenblättern und ebenso durch Kurzfilme im Fernsehen erfolgen.

Eine weitere Möglichkeit wären mobile Beratungsmannschaften oder auch direkte Ansprachen oder Fragebögen in Behörden und Ämtern.

Der Effekt wäre ein beiderseitiger Gewinn. Einmal würden die Opfer des SED-Regimes gewisse Genugtuung erhalten.

Des weiteren könnte durch diese Aufklärung und klarer Positionierung ein Baustein zum Auf- und Ausbau von Glaubwürdigkeit und Vertrauen in Staat und Regierung gelegt werden.

Denn man bedenke, daß viele der alten DDR-Kader sich in das neue System hinübergerettet haben und für viele DDR-Verfolgte Grund zur Annahme besteht, daß heute alter Wein in neuen Schläuchen verabreicht wird.

Oder wie erklären sie sich, daß von den mindestens 600.000 Inoffiziellen Mitarbeitern heute sogar noch welche in diesem Hause sitzen?

So hoch kann die Würde dieses Hauses dann ja doch nicht sein.

Torsten Koplin alias IM Martin! Ihr damaliger Führungsoffizier schätzte die Zusammenarbeit als effektiv ein. Wie soll es auch anders sein, schließlich waren ihre Verrätertätigkeiten freiwilliger Art.

Noch schlimmer, daß sie sich dafür auch noch bezahlen ließen!

Am 16.November 1988 wurde die Zusammenarbeit vorrübergehend beendet, weil IM Martin studieren wollte. Nach Beendigung des Studiums sollte er allerdings weiter inoffiziell genutzt werden.

Nicht auszudenken, wäre die Teilwiedervereinigung von immerhin zwei besetzten Zonen BRD und DDR nicht vollzogen worden, welche Verbrechen noch auf das Konto von Martin Koplin gegangen wären.

IM Martin Koplin war hauptamtlich und inoffiziell für das MfS tätig!

46 Verräter-Berichte sind von IM Martin in den Stasiakten vorhanden. Unterrichtet wurde hauptsächlich über „antisoziallistische Umtriebe“ auf Feiern und Jugendlagern der FDJ.

Ja meine Damen und Herren, sie hören richtig.
Der heutige Sprecher für Kulturpolitik sowie Mitglied im Bildungsausschuß hat vor gar nicht allzu langer Zeit Jugendliche bespitzelt.

Noch schlimmer jedoch ist, daß IM Martin nicht alleine ist.

ISOR beispielsweise – Initiativgemeinschaft zum Schutz der sozialen Rechte ehemaliger Angehöriger bewaffneter Organe und der Zollverwaltung der DDR- hat sich zum Ziel gesetzt, üppige Renten für ehemalige DDR-Kader zu erkämpfen.

Durch die Arbeit dieser Schandvereinigung wurde vielen SED-Kadern zu Luxusbezügen verholfen, wovon DDR-Opfer nur träumen können.

Hubertus Knabe, Direktor der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, beschreibt diese bestehende Ungerechtigkeit folgendermaßen:

„Wir müssen uns immer wieder klar machen, daß wir mit den Menschen, die für Freiheit und Demokratie gestritten haben, wirklich ziemlich schäbig umgehen. Wenn sie 20 Jahre in Bautzen in Haft waren, bekommen sie weniger Rente, als wenn sie dort zehn Jahre als Wärter tätig waren“.

Der Vorstand der 24.000 Mitglieder starken Vereinigung ISOR besteht zu mehr als der Hälfte aus MfS-Kadern!

Der Einfluß ist mittlerweile so groß, daß die Birthler Behörde, nach jahrelanger Weigerung, nun der Vereinigung Material zur Verfügung stellen muß, daß dann von dem ehemaligen Stasi-Professor und Vizevereinsvorsitzenden Edelmann gesichtet wird.

Na Herr Ritter, haben sie gemerkt worauf ich hinaus will? Sie sind doch auch Mitglied dieser nebulösen Vereinigung.

Aber auch das ist kein Einzelfall!

Als die Linkspartei in der Regierung von Mecklenburg und Vorpommern saß, leierte sie eine Bundesratsinitiative zugunsten von ISOR an.

Der Verein bedankte sich anschließend bei allen Ministern der Abteilung Ringstorff.

Und sie Frau Gramkow setzten noch einen obendrauf und wünschten sich öffentlich eine wörtlich „zielorientierte Zusammenarbeit“ mit dem Täterverein!

Obwohl die Errungenschaften der SED nicht viel mehr als den Mauerbau, die Erfindung und Pflege der Stasi, den Mord an der Mauer und die Ruinierung Mitteldeutschlands hergaben, flüchten sich gerade die direkten Nachfolger der SED vollständig aus der Verantwortung für das Unrecht. Daß das Wissen über das Unrecht in der DDR immer mehr in Vergessenheit und in Verklärung gerät ist Tatsache.

Oder kennen sie eine Straße die den Namen des Leipziger Studenten Herbert Belter trägt? Er verteilte im Oktober 1950 Flugblätter gegen die Diktatur und nur dafür wurde er hingerichtet? Geschwister Scholl Straßen gibt es hingegen viele!

Darum hat der Landtag auch die Bezuschussung von Gedenkstättenfahrten von Schülern zu den Terrorstätten der DDR beschlossen. Nun fehlt es noch an einer klaren Positionierung zur DDR-Opferrente und Aufklärung darüber.

Auch wenn die jetzige Rente gern als Opferrente für Arme bezeichnet wird, die nicht grundsätzlich entschädigt, so wollen wir zumindest aus dieser Lösung den größtmöglichen Nutzen für die DDR-Opfer zu ziehen wissen.

Mit ihrer Zustimmung zu unserem Antrag, kann sich dieser Landtag erstmals eindeutig gegen das DDR-Terror-Regime positionieren.

Wir dürfen die Opfer nicht länger im Dunkeln lassen, darum stimmen sie unserem Antrag zu!

Fakten der Begründung, in der Müller das Wort entzogen wurde:

- Über 200.000 unschuldige Menschen saßen in der DDR in politischer Kerkerhaft!

- Allein zwischen 1960 und 1990 wurden 230.000 Menschen wegen Delikten wie „staatsfeindliche Hetze“, „ungesetzlicher Grenzübertritt“ oder „asoziales Verhalten“ verurteilt!

- In Millionen von Fällen wurde das Grundrecht auf Post- und Telefongeheimnis gebrochen. In den Achtzigern beispielsweise wurden täglich durchschnittlich 90.000 Briefe geöffnet!

- Insgesamt 227-mal wurde die Todesstrafe in 40 Jahren DDR verhängt - und in mehr als zwei Dritteln der Fälle auch vollstreckt. Bei weitem nicht alle der Hingerichteten waren Kindermörder.

- Per Galgen, Fallbeil oder Genickschuss wurden auch "Agenten" oder sogenannte "Saboteure", die den SED-Oberen aus politischen Gründen missliebig waren hingerichtet.

- Auf insgesamt 20 Delikte stand in der DDR der Tod - selbst im Kaiserreich im 19. Jahrhundert waren es gerade drei gewesen.

- Werner Teske wurde zum letzten politischen Todeskandidaten in der DDR. Weil er Mitte der 70er Jahre mit dem Gedanken gespielt hatte, sich in die Bundesrepublik abzusetzen, wurde Teske 1981 zum Tode verurteilt und kurz darauf erschossen.
zurück | drucken Erstellt am Donnerstag, 25. Oktober 2007